Ein Blog von Christine Felsinger
mit Fotos von Felix Knaack

Giftiges Kreuzkraut: Jetzt Blüten abschneiden, Wurzel ausstechen

Interview: Sabine Jördens verlor ihr Pferd durch Kreuzkraut und klärt auf!

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Kreuzkraut beim Ausstechen nur mit Handschuh anfassen: Die Pyrrolizidin-Alkaloide sind auch für Menschen giftig. Kreuzkraut beim Ausstechen nur mit Handschuh anfassen: Die Pyrrolizidin-Alkaloide sind auch für Menschen giftig.

Kein Sommer ohne Jakobskreuzkraut: Die giftige gelbe Pflanze breitet sich wie die Pest auf Pferdeweiden aus, die schlecht gepflegt sind. Sabine Jördens verlor 2007 ihr Pferd Smarty durch Kreuzkraut: Es starb jämmerlich an Seneciose. Die Vorsitzende des Arbeitskreises Kreuzkraut empfiehlt deshalb: Jetzt Blütenköpfe abschneiden, danach das Kreuzkraut mit Handschuhen ausstechen.

Sabine Jördens vom Arbeitskreis Kreuzkraut setzt sich seit 2007 dafür ein, dass Kreuzkräuter auf Pferdeweiden bekämpft werden. Foto: Jördens

Sabine Jördens vom Arbeitskreis Kreuzkraut setzt sich seit 2007 dafür ein, dass Kreuzkräuter auf Pferdeweiden bekämpft werden. Foto: Jördens

FreundPferd: Es gibt immer noch Reiter und Landwirte, die Kreuzkraut für eine hübsche gelbe Pflanze halten, ohne deren Gesundheitsrisiken zu sehen. Wie überzeugen Sie die?

Sabine Jördens: Mit Aufklärung, in die wir im Arbeitskreis Kreuzkraut viel Zeit stecken: Um Nutztiere und letztlich auch den Menschen vor den giftigen Inhaltsstoffen der Kreuzkräuter, den sog. Pyrrolizidin-Alkaloiden (PA) zu schützen, muss die extreme Ausbreitung von Kreuzkraut verhindert werden. Wir wollen keine Ausrottung, jedoch sollten Kreuzkräuter nicht auf Wiesen und Weiden und schon gar nicht in Massenbeständen auf anderen Flächen vorkommen. In unserem diffizilen ökologischen System spielen alle blühenden Pflanzen eine wichtige Rolle. Und natürlich gibt es in unserer von Menschenhand gemachten Kulturlandschaft viel zu wenige Blühpflanzen. Aber statt lebensgefährliche Kreuzkräuter durch Nicht-Bekämpfung zu schützen, sollte man besser ungefährliche nektarreiche Blühpflanzen und Wildsträucher ansäen, pflanzen und pflegen. Das schafft Futterstellen für Bienen, Wildbienen und andere Insekten. In jeder Ecke einer Weide, in jedem heimischen Garten und auch auf gemeindeeigenen Flächen findet sich sicherlich ein kleiner Platz für so eine Ansaat. Wenn wir diesen Schritt schaffen, dann gibt es auch keine Kritik und keinen Widerstand mehr gegen das Eindämmen von Kreuzkraut.

Ich erinnere mich an einen Fall, wo ein Bio-Bauer seine Mutter-Kalb-Herde mitten in blühenden Kreuzkraut-Weiden grasen ließ. Im Acker daneben baute er Hafer für Pferde an, der von Pflanzenschutzmitteln verschont blieb, aber vor Kreuzkraut strotzte. Ist das naiv, ignorant, dumm oder hochgradig fahrlässig?

Alles zugleich. Wer als Landwirt, egal ob Bio oder konventionell, das rechtzeitige Eingreifen verpasst, wird über kurz oder lang seine Anbauflächen als Futtermittelgewinnungsflächen gänzlich verlieren! Da gibt es kein Aufhalten mehr. Umbruch und Neuansaat sind das einzig verbleibende und kostenintensive Ergebnis, wenn ein Landwirt die Notwendigkeit ignoriert, Kreuzkraut zu bekämpfen. Kreuzkräuter haben ein extrem hohes Vermehrungspotenzial, sie unterdrücken durch schnellen und kräftigen Wuchs andere Arten – auch Gräser – und können Weideflächen in reine Kreuzkraut-Monokulturen verwandeln. Insbesondere das Jakobs- und das Wasserkreuzkraut erobern Weideflächen im Nu.

Kreuzkraut (Senecio spec.) auf der Pferdeweide: Typisch sind die für Korbblütler typischen Blütenkörbchen mit Röhren- und Zungenblüten.

Kreuzkraut (Senecio spec.) auf der Pferdeweide: Typisch sind die für Korbblütler typischen Blütenkörbchen mit Röhren- und Zungenblüten.

Was wollen Sie mit Ihrem Arbeitskreis Kreuzkraut erreichen?

Wir haben eine umfassende Homepage. Auf 50 Seiten kann sich der Leser ausführlich über die in Deutschland am häufigsten vorkommenden Kreuzkräuter informieren. Wir bieten Flyer, Poster und anderes Infomaterial, um auf die Problematik aufmerksam zu machen und das Erkennen zu ermöglichen. Die Toxizität von Kreuzkräutern ist nach 9 Jahren intensiver Aufklärungsarbeit durch den Arbeitskreis Kreuzkraut und durch die landwirtschaftlichen Beratungsstellen schon ziemlich bekannt geworden. Ich schätze, etwa 80 Prozent der Tierhalter, aber nur rund 25 Prozent der Verbraucher wissen um die Gefahr, die Pyrrolizidin-Alkaloide in Futter- oder Nahrungsmittel bedeuten. Das wollen wir weiter ausbauen nach dem Motto: Einen Fliegenpilz erkennt auch jeder und handelt entsprechend.

Gibt es Entwarnung in besonders trockenen Jahren, und wuchert Kreuzkraut besonders stark, wenn es im Sommer feucht ist und im Winter mild? 

Weder noch. Kreuzkräuter sind extrem anpassungsfähig. Während unter dem Klimawandel viele heimische Arten (auch Gräser) zu kämpfen haben, scheinen Kreuzkräuter gegen Trockenheit, Hitze und sogar Frost völlig immun. Das Gemeine Kreuzkraut (Senecio vulgaris) blüht mehrfach im Jahr, sogar im Winter im Schnee. Bei uns sind schon einige Meldungen von großen Vorkommen dieser Art auf Pferdeweiden eingegangen.

Kreuzkräuter lieben offene Böden mit wenig Konkurrenz durch andere Pflanzen. Deshalb wuchern sie ja auf Pferdeweiden, auf denen meist nicht mehr viel Gras wächst, weil die Weiden trittgeschädigt sind

Da ist es nicht immer einfach, eine Ausbreitung von Kreuzkraut zu verhindern. Die heißen und trockenen Sommer schaden auch dem Jakobs- und Wasserkreuzkraut nicht. Selbst wenn ein Grünlandbestand ganz gelb vor Trockenheit ist, sieht man die Blattrosetten von Kreuzkräutern in kräftigstem Grün.

Was kann ich jetzt im Sommer noch aktuell tun, um meine Weiden schnell Kreuzkraut-frei zu bekommen und für kommendes Jahr vorzubeugen?

Schnell handeln, denn z.B. das Jakobskreuzkraut, kurz JKK, ist in einigen Beständen schon im Anfang des Samenstands. Auf jeden Fall gilt es, ein weiteres Aussamen zu verhindern.

Die schnelle Lösung bei einzelnen Vorkommen in derzeitigem Vegetationszustand ist, die Blütenköpfe rasch abzuschneiden und sofort im Restmüll zu entsorgen

Wenn man sie vor Ort belässt, bilden sie innerhalb kürzester Zeit trotzdem ihre Samen aus. Anschließend die Pflanze mit kompletter Wurzel mit handelsüblichen Unkrautstechern, Spaten oder Grabegabel ausheben. Wurzelreste im Boden bringen neue Pflanzen hervor. Dabei Handschuhe tragen! Zur Sicherheit empfehlen wir körpergeschlossene Kleidung und Atemschutz, da auch Samen und Pollen toxisch sind. Doch keine blühende Pflanze ohne Nachwuchs! Jakobskreuzkraut blüht wie viele seiner Artenverwandten erst im zweiten Jahr. Es gibt daher auf jeder Fläche, auf der blühendes KK steht, auch erstjährige Pflanzen, die natürlich auch giftig sind. Sie stellen für Tiere vielleicht noch die größere Gefahr dar, denn sie sind grün und nicht holzig und haben in den ersten 6-7 Wochen noch keine fresshemmenden Eigenschaften. Diese muss man ebenso erkennen und ausstechen, damit sie auf Weideflächen im nächsten Jahr erst gar nicht zur Blüte kommen.

Zum Eindämmen von Kreuzkraut auf der Weide muss die Pflanze samt Wurzel ausgestochen werden.

Zum Eindämmen von Kreuzkraut auf der Weide muss die Pflanze samt Wurzel ausgestochen werden.

Was mache ich, wenn mein Stallbetreiber hier uneinsichtig ist und nicht mitzieht?

Wenn wirklich alle Aufklärungs- und kooperativen Versuche gescheitert sein sollten, dann muss wohl der Stallbetreiber die Konsequenzen tragen: Kündigungen seitens der Einsteller, Presseberichte, Anzeige beim Veterinäramt als Beispiel wären einige, wenngleich scharfe Mittel. Aber was soll´s, er ist gesetzlich verpflichtet, Futter ohne Gift anzubieten.

Ist der Stallbetreiber schadensersatzpflichtig, wenn ein Pferd sich vergiftet? Gibt es schon Fälle, die vor Gericht gingen?

Wenn der Stallbetreiber Futter mit Kreuzkrautanteilen (oder auch anderen giftigen Komponenten) verfüttert, ist er schadensersatzpflichtig. Für ein Gericht muss das allerdings vollends bewiesen werden, sprich, man sollte z.B. bei Tod eines Tieres eine Leberprobe explizit auf PA-Metabolite untersuchen lassen. Eine visuelle Befundung einer zirrhotischen Leber würde nicht ausreichen. Zudem müsste nachgewiesen sein, dass das Tier die giftigen Stoffe nicht schon vorher zu sich genommen hat. Das stellt sich als schwierig heraus, denn die PA wirken oft erst Monate nach dem Verfüttern.

Was tun die Landwirtschaftsämter und Tierschutzbeauftragten?

Die Landwirtschaftsämter beraten in der Grünlandpflege und Tierhaltung. Bei den Städten und Gemeinden kommt es aufs Bundesland an: Für Niedersachsen und Rheinland-Pfalz und vorläufig auch für Bayern gibt es gesonderte rechtliche Rahmen, die das Kreuzkrautvorkommen auf öffentlichen Flächen regeln. Für die anderen Bundesländer und für Privatbewirtschafter aller Bundesländer gibt es keine Vorgaben für eine Bekämpfung.

Wie hilft der Arbeitskreis Kreuzkraut in individuellen Fällen, wenn Reiter Hilfe brauchen?

Die Anfragen sind viel zu zahlreich, um immer individuell zu helfen. Leider können wir das derzeit nicht alles zu 100 Prozent schaffen. Wir sind im Ehrenamt tätig, jegliche Vereinsarbeit erfolgt in unserer Freizeit. Alle Beratungen und Bestimmungen sowie das Erstellen von Informationsmaterial machen wir als gemeinnütziger Verein kostenlos. Insofern sind uns Beitritte zu unserem Verein so wichtig! Hätten wir mehr davon, könnten wir unsere Arbeit ausbauen.

Informationen und weitere Artikel zum Thema Weide

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